Wenn Heidelore Momm auf Anhausen blickt, sieht sie heute noch an vielen Stellen das Wirken eines Mannes: „Wir fühlen uns heute noch dem Erbe von Friedrich Willhelm Raiffeisen verpflichtet“, findet die Ortsbürgermeisterin. Kein Wunder also, dass die Gemeinde Anhausen jetzt gemeinsam mit der Kirchengemeinde und der Raiffeisenbank Neustadt zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 200. Geburtstagstages des Sozialreformers eingeladen hatte. In der evangelischen Kirche trafen sich 120 Gäste zum Festakt unter dem Motto „Friedrich Wilhelm Raiffeisen – Erbe und Auftrag“. An den Genossenschaftsgründer soll künftig eine Gedenktafel erinnern, die die Gastgeber vor dem Gemeindehaus enthüllten.
Gedenktafel für Raiffeisen enthüllt
Anhausen blickt stolz auf Raiffeisen
Genossenschaftsgründer mit Festakt geehrt

Für Pfarrer Andreas Laengner ist der Ort gut gewählt: „Er war hier“, unterstrich er schlicht beim Festakt. Mehrfach war Raiffeisen um 1840 im Anhausener Gemeindehaus zu Gast und wohl auch in der Kirche, wo sein Schwager als Pfarrer Dienst tat. Aber in Anhausen entstand auch 1862 mit dem Darlehnskassenverein einer der „Urtypen“ der späteren Genossenschaften nach Raiffeisen’scher Prägung und einer der Vorläufer der heutigen Raiffeisenbank Neustadt. Friedrich Wilhelm Raiffeisen selbst war wohl bei der Gründungsversammlung in einem der Anhausener Gasthäuser nicht anwesend, ist aber im Gründungsprotokoll für seine „Mühewaltungen und trefflichen Vorschläge“ ausdrücklich erwähnt.
Dass damit in Anhausen ein Stück Genossenschaftsgeschichte geschrieben wurde, findet auf Josef Zolk als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft. „Raiffeisen war kein Utopist, sondern ein Realist, der auf die Bedürfnisse der Bevölkerung gehört hat“, so Zolk in seiner Festrede. Das Ausgeliefertsein der ländlichen Bevölkerung an die Wucherer in Zeiten von Hungersnöten und Missernten, mangelnde Bildungschancen gerade auf dem Land und eine tiefe Religiosität waren nur einige von Raiffeisens Triebfedern.
„Aus einer christlichen Wurzel wächst eine starke Idee“, findet auch Pfarrer Andreas Laengner. Denn obwohl Raiffeisen selbst die Schulbildung verwehrt blieb, um selbst Pfarrer werden zu können, hat er immer im Sinn der christlichen Nächstenliebe gehandelt. Sogar so sehr, dass er es in Kauf nahm, mit nur 47 Jahren zu erblinden, nachdem er als Heddesdorfer Bürgermeister bei einer Typhus-Epidemie Hilfe geleistet hatte. Diesen Geist Raiffeisen wollen die Anhausener noch heute leben, wie Ortsbürgermeisterin Momm betonte: Gerade arbeitet die Gemeinde an einem Wohnprojekt für Senioren, ist dabei, einen virtuellen Marktplatz zu gründen und hat eine digital organisierte Nachbarschaftshilfe ins Leben gerufen. „Diese Anstrengungen für die Bürger“, da ist sich Momm sicher, „würden auch Raiffeisen gefallen.“
Von unserer Mitarbeiterin Angela Göbler, RZ vom 20.04.2018
Anhausen feiert Raiffeisens Erfindung am Ort
Urtyp der Genossenschaft entstand in Kooperation mit Kirche
Anhausen. „Er war hier!“ In diesem Bewusstsein haben Kirchen- und Ortsgemeinde Anhausen und Raiffeisenbank Neustadt am 18. April gemeinsam das Wirken des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen in ihrem Ort gewürdigt. Denn in Anhausen ist einer der ersten Darlehenskassenvereine gegründet worden. Diese Erfindung hat nicht nur das Finanzwesen in eine soziale Richtung weiterentwickelt, sondern die Lebensumstände der Menschen in der Region Rhein-Westerwald revolutioniert. Raiffeisen, der in diesen Tagen 200. Geburtstag feiern würde, war für die Vorbereitungen dazu auch bei seinem Schwager im Anhauser Pfarrhaus – heute dient das Gebäude als evangelisches Gemeindehaus. So steht jetzt eine neue und von der genossenschaftlichen Raiffeisenbank gestiftete Gedenktafel am Gemeindehaus. Martin Leis und Konrad Breul von der Raiffeisenbank, Ortsbürgermeisterin Heidelore Momm und Pfarrer Andreas Laengner enthüllten sie vor rund 120 Gästen in einer feierlichen Zeremonie mit frühsommerlichem Flair.

„Er war hier!“ Eine Gedenktafel zu Friedrich Wilhelm Raiffeisen haben (v. l.) Martin Leis und Konrad Breul von der Raiffeisenbank Neustadt, Ortsbürgermeisterin Heidelore Momm und Pfarrer Andreas Laengner gemeinsam enthüllt. Fotos: Dorothea Müth
Zuvor genossen die Festgäste ein reichhaltiges Rede- und Musikprogramm in der evangelischen Kirche. Josef Zolk vom Vorstand der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft, selbst einer von Raiffeisens Nachfolgern im Bürgermeisteramt in Flammersfeld, wies auf das kongeniale Werk von Raiffeisens Tochter Amalie hin: Sie hat sein Buch „Der Darlehenskassenverein“ lektoriert und erweitert. Dieser Urtyp der Genossenschaft machte die Bauern unabhängig von zinsgierigen Geldverleihern. Zolk betonte auch: „Wer Raiffeisen beschreibt, ohne seine Religiosität zu nennen, wird ihm nicht gerecht.“ Christliche Nächstenliebe war Grundwert und Motivation für Raiffeisens Handeln. Andreas Laengner erklärte, wie Raiffeisen diese verstand: „Nicht nur wohlige Gefühle füreinander zu hegen“, sondern zu handeln im Wissen, dass ich alles, was ich für meine Mitmenschen tue oder nicht tue, gleichzeitig Jesus Christus antue oder nicht antue. Darin geprägt haben Raiffeisen seine fromme Mutter und viele Jugendfreunde, die Pfarrer wurden. Beide Redner nahmen auch Stellung zur aktuellen Debatte um einen möglichen Antisemitismus Raiffeisens: Raiffeisen war „gegen Wucherer egal welcher Religion“, hielten sie fest. Als dritte zeigte Ortsbürgermeisterin Momm auf, wie sie das Raiffeisensche Credo „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“ umsetzt: Das Projekt „Wir sind Kirchspiel Anhausen“ will attraktive Lebensbedingungen auf dem Dorf schaffen, besonders für alte Menschen. Zwei Internetangebote sind in der Mache: eine Tausch- und Leihbörse (www.nebenan.de) sowie ein Service-Überblick zu den Geschäften und Dienstleistungen in Anhausen (www.marktplatz-kirchspiel-anhausen.de). Außerdem bemüht sich Anhausen um gemeinschaftliche Wohnformen und altersgerechte Wohnungsbauten.
Der jugendlich besetzte Posaunenchor umrahmte das Programm mit schwelgender Musik von Whitney Houston und den Beatles. Die Feier mündete in einen Empfang im Gemeindehaus, bei dem auch die Roll-Ups der Raiffeisen-Wanderausstellung „Das Beispiel nützt allein“ zu sehen waren.
Pressemitteilung Kirchenkreis Neuwied, Blick Aktuell vom 23. April 2018
Gedenktafel für Raiffeisen
Gründer der Genossenschaften mit Festakt geehrt
Raiffeisenbank, Ortsgemeinde und evangelische Kirche luden ein
Am Mittwoch, 18. April, wurde in der evangelischen Kirche Anhausen dem Wirken von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gedacht. Raiffeisen war 1862 Bürgermeister von Heddesdorf, zu dessen Bezirk auch das Kirchspiel Anhausen gehörte. Hier gründete Raiffeisen den Darlehnskassen Verein, aus dem die heutige Raiffeisenbank Neustadt/Wied entstanden ist. Am evangelischen Gemeindehaus Anhausen wurde im Anschluss eine Gedenktafel enthüllt. Anwesend waren von der Raiffeisenbank die Vorstände Martin Leis und Konrad Breul, von der Raiffeisengesellschaft Josef Zolk, Verbandsbürgermeister Breithausen sowie die Ortsbürgermeisterin Heidelore Momm.

Anhausen. Am Mittwochabend wurde in Anhausen an das Wirken von Friedrich Wilhelm Raiffeisen erinnert. Hierzu hatten die Ortsgemeinde, die evangelische Kirche und die Raiffeisenbank Neustadt eG in die Kirche Anhausen eingeladen. Rund 150 Besucher waren erschienen. Die anwesenden Vorstände der Raiffeisenbank, Martin Leis und Konrad Breul sowie der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Raiffeisen Gesellschaft, Josef Zolk und Pfarrer Andreas Laengner erinnerten in ihren Ansprachen an das Wirken von Raiffeisen.
Zolk beleuchtet das Leben und Wirken Raiffeisens aus Sicht der gesellschaftlichen Funktion der Raiffeisenidee, die bis in die heutige Zeit hinein wirkt. Er stellte dar, wie es zu der Entwicklung der Idee der Genossenschaften kam. Zunächst war Raiffeisen, nach seiner Zeit beim Militär, das er aufgrund seiner Augenerkrankung verlassen musste, Bürgermeister des Amtes Weyerbusch. Hier gründete er den „Brodverein“. Dieser machte es sich zur Aufgabe die arme Bevölkerung zu befähigen, sich mit dem notwendigsten versorgen zu können. Hierbei kam dem Backes im Ort große Bedeutung zu. Weyerbusch erinnert daran am kommenden Sonntag, 22. April, mit einem großen Backesfest.
Über Flammersfeld, wo Raiffeisen ebenfalls die Idee des gemeinsamen Handelns propagierte, führte ihn sein Weg dann nach Heddesdorf. Als Bürgermeister setzte er auch hier seine Idee „gemeinsam kann man viel erreichen“ um. In Anhausen gründete er 1862 den Darlehenskassen Verein, der sich zunächst nur mit der Vergabe von Krediten an die bäuerliche Bevölkerung befasste. Später kam dann auch das „Spargeschäft“ hinzu. Martin Leis, Vorstand der Raiffeisenbank Neustadt Wied eG, erinnerte an diesen Werdegang aus dem die, heute erfolgreich in der Region tätige, Bank entstanden sei.
Pfarrer Laengner beleuchtete das Leben und Wirken aus kirchlicher Sicht. Raiffeisen war zutiefst christlich geprägt, so Laengner. Sein Wirken und seine Idee, die heute weltweit Millionen Menschen erreicht hat, basiert auf dem Glauben. Oft wird hierbei aus dem Matthäus Evangelium Matthäus 25, 40 - "Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan", zitiert. Auch wurden Skulpturen, wie von dem Bruchertseifener Künstler Arnold Morkramer, mit diesem Bildnis geschaffen. Die Morkraner Skulptur ist Teil der Wanderausstellung über das Leben und Wirken Raiffeisens.
Im Anschluss an den Gottesdienst enthüllten die Ortsbürgermeisterin Heidi Momm und Konrad Breul eine Tafel am Gemeindehaus der evangelischen Kirche. Diese Gedenktafel wurde von der Raiffeisenbank Neustadt eG gestiftet und soll, am Ort der Gründung, auf die Geschichte der Bank verweisen. Bei einem Empfang im Gemeindehaus konnten sich die Gäste stärken und viele Gespräche führen. Josef Zolk, stellvertretender Vorsitzender der Raiffeisengesellschaft, gab der Hoffnung Ausdruck, dass das Interesse an Raiffeisens Werk und Idee nicht am 31. Dezember enden möge, sondern die, erfolgreich begonnene, Werbung für unsere Region weiter genutzt und ausgebaut werden sollte. (kkö)
NR-Kurier vom 19.04.2018